Reformen prägen die Mittelschulen
Die gymnasiale Ausbildung steht vor entscheidenden Veränderungen. Eine Neugestaltung führt auch bei der Wirtschaftsmittelschule zu Veränderungen.
Das Jahr 2024 ist ein Meilenstein in der Entwicklung der St.Galler Gymnasiallandschaft. Nachdem die übergeordneten Rechtsgrundlagen – das Maturitätsanerkennungsreglement (MAR), die entsprechende Verordnung (MAV) und der zugehörige Rahmenlehrplan – im August in Kraft traten, sind die Kantone in der Pflicht. Der Kanton St.Gallen hat die Entwicklungen vorweggenommen und konnte direkt im Anschluss an die Sommerferien mit der Umsetzung, sprich: den kantonalen Lehrplanarbeiten, starten. Den vorgelagerten Entscheid zur Ausgestaltung der Stundentafel fällten der Bildungsrat und die Regierung bereits im Frühjahr.
Die Lehrplanarbeit wird die gymnasiale Ausbildung für die absehbare Zukunft prägen. Rund 120 Lehrpersonen sind in die Überarbeitung der gymnasialen Lehrpläne involviert. Damit ist fast jede sechste Mittelschullehrperson Teil dieses Veränderungsprozesses. Der letzte derartige Umbruch geht auf die 1990er-Jahre zurück.
Die Reform ist eine Chance. Sie soll einerseits die schweizweite Vergleichbarkeit der Maturitätsabschlüsse sichern. Andererseits bietet sie im Kanton St.Gallen viel Raum für Innovationen. Geplant ist unter anderem die Einführung von zwei neuen, interdisziplinären Wahlpflichtfächern. Die Eckwerte dieser Fächer haben die kantonalen Rektorinnen und Rektoren gemeinsam definiert. Sie lassen den Lehrpersonen Gestaltungsfreiheit, gleichzeitig stellen sie sicher, dass sich das Angebot an mindestens einer klaren Leitfrage orientiert und mindestens einen Bezugspunkt zum Fachlehrplan aufweist. Damit wird die Schulautonomie gestärkt. Die Schule soll sich künftig stärker über den Wahlpflichtbereich profilieren können, weswegen sich die Rektorinnen und Rektoren der fünf Gymnasien auch dafür ausgesprochen haben, dass der Kanon der Ergänzungsfächer schulautonom bespielt werden soll. Der Bildungsrat zeigte sich offen für diese Entwicklungen und stützte die Entscheide der kantonalen Rektorenkonferenz.
Meilensteine in der Talentförderung
Ein weiterer Meilenstein war der Entscheid zur Überführung der Talentklasse Sport in den Regelbetrieb. Die Kantonsschule Wattwil (KSW) führt seit dem Schuljahr 2020/21 als bisher einzige Mittelschule im Kanton eine Sport-Talentklasse als Schulversuch. Die Ausbildungszeit bis zur Maturität dauert fünf statt vier Jahre, um neben der Schule genügend Zeit für Sport zu haben.
Die KSW hat mit diesem Ausbildungsgang auf Entwicklungen auf der Volksschulstufe reagiert: Im Kanton St.Gallen haben sich in den letzten Jahren verschiedene Sportschulen auf der Volksschulstufe etabliert. Nahtlose Anschlusslösungen für Sporttalente an St.Galler Mittelschulen waren bisher aber nur mit individuellen Sonderlösungen möglich.
Der Schulversuch hat sich bewährt. Zu Beginn des Schuljahres 2024/25 besuchten 81 Schülerinnen und Schüler Klassen im Sport-Talent-Modell; 34 von ihnen waren weiblich (42 Prozent) und 47 männlich (58 Prozent). Das Angebot gehört ab dem Schuljahr 2025/26 zum regulären Profil der Kantonsschule Wattwil.
Bei der Wirtschaftsmittelschule (WMS) startete derweil der erste Jahrgang nach neuer Stundentafel und neuen Lehrplänen – pünktlich zum 30-Jahr-Jubiläum der Kantonsschule am Brühl. Zur Feier des Jubiläums und des Starts der neuen Wirtschaftsmittelschule endete der Unterricht am ersten Donnerstag nach den Sommerferien ausnahmsweise früher – und am Freitag darauf startete der Tag erst mit der vierten Lektion wieder.
Der WMS-Lehrgang wurde an die neuen, nationalen Vorgaben aus der Bildungsverordnung 2023 und an den Bildungsplan für den Beruf «Kauffrau/Kaufmann EFZ» angepasst. Die rechtlichen Grundlagen dafür hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) im August 2021 geschaffen. Es folgten die kantonalen Umsetzungsarbeiten. Sie standen im Zeichen der Strategie Sicherung von konkurrenzfähigen Bildungsinstitutionen der Schwerpunktplanung.
Der Lehrgang der Wirtschaftsmittelschule wird im Kanton St.Gallen an zwei Schulstandorten angeboten: an der Kantonsschule am Brühl und an der Kantonsschule Sargans. Über zwei Jahre arbeiteten Vertreterinnen und Vertreter der beiden Schulen zusammen mit dem Amt für Mittelschulen und Externen an der Schärfung des Profils der WMS. Die Stundentafel wurde überarbeitet, neue Lehrpläne geschrieben, Reglemente angepasst. Betroffen von den Änderungen war in erster Linie der EFZ-Teil, also jener Teil der Ausbildung, der zum Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) führt.