Auf dem Weg in die Staatsanwaltschaft
Sie entspricht vielleicht für manche nicht dem Bild der “typischen” Staatsanwältin. Ekim Boyan ist seit Oktober 2020 beim Untersuchungsamt Altstätten als Staatsanwältin tätig. Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Interview mit Ekim Boyan
Was wolltest du werden, als du Kind warst?
Als Kind träumte ich von den "klassischen Mädchen-Berufen" wie Lehrerin oder Ärztin. Ich inszenierte aber auch damals schon fiktive und eher unrealistische Gerichtsverhandlungen, in welchen ich – als meist einzige Anwesende – die Rolle als Richterin einnahm.
Als du das Jus-Studium begonnen hast: Hättest du dir gedacht, dass du einmal als Staatsanwältin arbeiten würdest?
Nein! Und nicht, weil es für mich grundsätzlich nicht in Frage kam, sondern weil ich schlicht nicht daran dachte. Vielmehr spielte ich mit dem Gedanken, später eine Tätigkeit mit Bezug zu internationalem Recht auszuüben.
Was war deine Lieblingsrichtung im Jus-Studium?
Ich mochte eigentlich alle Fächer – ausser öffentliches Recht. Besonders das Baurecht verabscheute ich damals.
Weshalb hast du überhaupt Jus studiert? Was war dein Plan?
In der Kanti wählte ich das Schwerpunktfach Wirtschaft & Recht. Für mich war klar, dass ich nach der Matura eine von beiden Richtungen einschlagen würde, weil sich durch diese Studiengänge im Berufsleben sehr vielfältige Möglichkeiten eröffnen. Schliesslich zog es mich aber doch stärker zum Recht.
Was würdest du einem jungen Menschen empfehlen, der in der Staatsanwaltschaft arbeiten will?
Ich würde jeder jungen Juristin und jedem jungen Juristen – unabhängig vom Berufsziel – empfehlen, durch Praktika Einblick in die Tätigkeit der Anwältin bzw. des Anwalts, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zu gewinnen. Ich habe in einer Anwaltskanzlei gearbeitet, bevor ich als Auditorin zur Staatsanwaltschaft kam. Ein Gerichtspraktikum habe ich nicht gemacht, was ich heute etwas bedaure.
Was sagt eigentlich deine Familie zu deinem Beruf? Und wie finden es deine Freunde?
Meine Familie ist sehr stolz. Insbesondere meine Mutter, der selbst eine höhere Schulbildung verunmöglicht wurde, hat stets grossen Wert auf unsere Berufs- oder Schulausbildung gelegt und freut sich an unseren Erfolgen. Und meine Freunde lassen sich immer gerne von den – natürlich anonymisierten! – Erzählungen über die spannenden Fälle unterhalten.
Wie reagieren neue Bekannte, wenn sie zum ersten Mal hören, dass du Staatsanwältin bist?
Meistens sind es Personen, die (erfreulicherweise) keinen Bezug zur Justiz haben, wodurch sie es umso spannender finden. Viele wissen aber auch gar nicht, was eine Staatsanwältin überhaupt macht, sodass eine Reaktion gänzlich ausbleibt.
Wirst du beruflich manchmal unterschätzt, weil du eine Frau bist? Wie reagierst du darauf?
Ich denke, dass ich für viele nicht das bin, was sie sich unter einem Staatsanwalt vorstellen - angefangen vom Namen, über das Aussehen, hin zum Alter und vielleicht auch dem Geschlecht. Ob sie mich deswegen unterschätzen, weiss ich aber nicht; bislang hat mich das nie irgendjemand ausdrücklich spüren lassen. Es wäre mir aber auch egal.
Was magst du an deiner Tätigkeit, was weniger?
Besonders schätze ich, dass wir in unserem Job nicht nur in der Sache, durch das sich stets wandelnde Recht, sondern auch als Menschen immer wieder herausgefordert werden und uns weiterentwickeln können – auch wenn gewisse Änderungen unsere Arbeit vielleicht erschweren. Etwas weniger mag ich, dass wir uns manchmal mit Nebenschauplätzen beschäftigen müssen, was uns wertvolle Zeit raubt.
Wenn du dich als Staatsanwältin von aussen sehen würdest: Welche Stärke fällt dir an dir selbst auf?
Ich habe ziemlich schnell und mit Erleichterung festgestellt, dass es mir nicht schwerfällt, Distanz zu den Erlebnissen des Berufsalltags zu wahren. Und ein schönes Kompliment, das ich mal erhalten habe, war, dass ich einen "Blick fürs Wesentliche" habe.
Hast Du ein Lebensmotto?
Ich mag ein Zitat von Ernst Reinhardt: «Wir haben vieles in der Hand, aber nicht alles im Griff.»