Hochwasser ist nicht gleich Hochwasser
Hochwasserereignisse richtig zu prognostizieren ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Grundsätzlich sind zuverlässige Hochwasserprognosen von guten Meteorologieprognosen abhängig, da bei einem Hochwasser das meiste Wasser aus dem Niederschlag stammt. Im Kanton St.Gallen treten nur selten überall zur gleichen Zeit Hochwasser auf. Dies hat mit den unterschiedlichen Wetterlagen und der Topographie der Ostschweiz zu tun. Im Kanton St.Gallen können drei Grosswetterlagen unterschieden werden, welche zu Hochwasser führen können.

Einhergehend mit starken Westwinden wird feuchte Atlantikluft über die Schweiz geführt. Dadurch steigen die Wasserstände der kleinen Bäche in einem Streifen nördlich der Linie Zürichsee-Bodensee schnell an. Auch am exponierten Säntis können hohe Niederschläge erwartet werden, was zu einem Hochwasser in der Sitter und Urnäsch führen kann.
Entgegen der Westlage ist beim Nordstau kaum mit extremen Windgeschwindigkeiten zu rechnen. Dadurch dauern die Hochwasserereignisse mit Nordstau grundsätzlich länger, da unter Umständen kontinuierlich feuchte Luft zu den Alpen geführt wird, die sich dort gleichmässig und andauernd ausregnet. Dadurch kann es im ganzen Kanton St.Gallen zu Hochwasser kommen.


Jeder kennt den Föhn im Rheintal, der für warme Temperaturen und Sonnenschein sorgt. Dieses Wetterphänomen entsteht nur, wenn auf der Alpensüdseite Luftmassen gestaut werden. Die Natur gleicht den Überschuss an Luft im Süden mit einem Abströmen der Luft nach Norden aus. Bei diesem Südstau können feuchtwarme Niederschläge mit Gewittern eingelagert sein und nach Norden übergreifen. Diese Wetterlage ist hauptverantwortlich für Hochwasser im Alpenrhein.
Es gibt Hochwasserereignisse, bei denen die Höhe der Schneefallgrenze und die Schneemengen im Einzugsgebiet eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die mittlere Höhe des Einzugsgebiets des Alpenrheins liegt bei ca. 1'700 m.ü.M. Regnet es bis auf über 3'000 m.ü.M. steigt die Gefahr eines Hochwassers für das Rheintal. Der Alpenrhein entspringt am Alpenhauptkamm und ist dadurch besonders hochwassergefährdet. Stauen sich die warmen niederschlagsreichen Wolken aus dem Tessin am Lukmanier und San Bernardino, kann es zu überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen in den Einzugsgebieten des Vorderrheins und Hinterrheins kommen. Zum Vergleich: In Bad Ragaz gibt es durchschnittlich einen Tag im Jahr, an dem mehr als 50 mm Niederschlag fallen. In Locarno kommt es an ein bis zwei Tagen im Jahr zu einem Ereignis mit über 100 mm Niederschlag pro Tag.
Bei sogenannten Regen-auf-Schnee-Ereignissen führt der Regen neben dem Anstieg der Wasserstände zu einer zusätzlichen schnellen Schneeschmelze, da warmes Regenwasser durch die Schneedecke perkoliert. Diese Ereignisse sind zunehmend für die grossen Hochwasser im Oberlauf der Thur verantwortlich. Die Klimaforschung prognostiziert für die Zukunft höhere Lufttemperaturen im Winter und damit verbunden auch höhere Niederschlagsmengen in Form von Regen. Im Einzugsgebiet der Thur gibt es keine Speicherseen oder Wasserkraftwerke, welche einen regulierenden Einfluss auf den Abfluss haben. Die geringe Bodenmächtigkeit und das steile Gefälle der Bäche im Toggenburg begünstigen schnelle Hochwasserwellen.