Alterspolitik umfassend weiterentwickeln
Das Alter und die Herausforderungen rund um die demografische Entwicklung sind ein Schwerpunktthema des Departements des Innern. Es hat im Jahr 2022 gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern ein neues Altersleitbild erarbeitet und die Angebotsplanung im Heimbereich umfassend überarbeitet.
«Während der Corona-Pandemie fokussierten wir uns auf das Gebot der Sorge und direkten Unterstützung von Personen und Institutionen. Im Jahr 2022 konnten wir wieder vermehrt gestalten», sagt Laura Bucher, Vorsteherin des Departements des Innern. Ein Beispiel dafür: Der Kanton und die Gemeinden haben zusammen ein neues Altersleitbild erarbeitet.
Gestützt auf den Leitsatz «Gutes Alter(n) gemeinsam aktiv gestalten» werden im Altersleitbild verschiedene Gestaltungsprinzipien definiert. Die Eckpfeiler bilden die vier Gestaltungsprinzipien soziale Teilhabe, Partizipation, ökonomische Sicherheit und adäquate Gesundheitsversorgung. Bei der Erarbeitung wurde darauf geachtet, dass die Ressourcen, die Bedürfnisse und die Vielfalt der älteren Bevölkerung stärker als bisher in die kantonale Alterspolitik einfliessen. Von Beginn an waren die zentralen Akteure der Altersarbeit sowie Seniorinnen- und Seniorenvertreter mit einer Begleitgruppe in die Erarbeitung des Altersleitbilds eingebunden.
Für eine gute Alterspolitik müssen Kanton, Gemeinden, Leistungserbringende, Fachorganisationen, Vereine sowie ältere und jüngere Menschen zusammenarbeiten. Damit kann die Balance zwischen der Lebensqualität der Menschen im Alter und den finanziellen Folgen einer älter werdenden Gesellschaft gefunden werden. Das Altersleitbild wurde im Jahr 2022 vom Kantonsrat eingehend beraten. Nun startet die Umsetzung in verschiedenen Bereichen.
An der vom Departement des Innern koordinierten St.Galler Konferenz zu Fragen von Religion und Staat wurde auch die Rolle der Religionsgemeinschaften für die Erarbeitung von Lösungen betont. Entsprechend wird im Jahr 2023 ein öffentlicher Anlass diesen Schnittpunkten gewidmet.
Im Jahr 2050 wird der Anteil an Personen, die 80 Jahre und älter sind, im Kanton St.Gallen gemäss BFS mehr als doppelt so hoch sein und bei über zehn Prozent liegen. Im Jahr 1990 lag der Anteil bei knapp 4 Prozent und im Jahr 2021 bei gut 5 Prozent.
Aktualisierte Planung der Heimplätze
In Ergänzung zu diesen übergeordneten Leitlinien hat das Departement des Innern im Jahr 2022 den «Planungsbericht Betreuung und Pflege von Betagten im Kanton St.Gallen» erneuert. Er wird im Jahr 2023 publiziert.
Der Bericht setzt die Rahmenbedingungen für das kantonale Platzangebot in stationären Einrichtungen zur Pflege von Betagten sowie für Sterbehospiz-Einrichtungen. Er dient den Gemeinden wie auch den Betagten- und Pflegeheimen als Planungsinstrument. Im Bericht werden aktuelle Entwicklungen aufgegriffen, beispielsweise der steigende Bedarf an spezialisierten Angeboten etwa für demente Personen. Auch das wachsende Bedürfnis, länger zu Hause zu wohnen und den Eintritt in ein Heim hinauszuzögern, ist im Bericht abgebildet. Letztere Tendenz zeigt sich ebenso im Bereich Behinderung. Dort hat die Regierung im Jahr 2022 ein Projekt gestartet, um das Angebot und die Finanzierung stärker auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung auszurichten.
Bei der Finanzierung der Pflegekosten im Altersbereich hat die Regierung im Jahr 2022 Anpassungen vorgenommen. So wurden auf das Jahr 2023 hin die stationären Höchstansätze der Pflegekosten um 5 Prozent erhöht. Gründe dafür waren die generelle Kostenentwicklung im Bereich der Pflege, die hohe Teuerung sowie Massnahmen im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel.
Die erwähnten Entwicklungen verdeutlichen die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Herangehensweise im Altersbereich. Diese geht über gesundheitliche Aspekte hinaus. Die Menschen und ihre Bedürfnisse werden ins Zentrum gestellt, auch mit Blick auf das Vorhandensein konkreter Angebote vor Ort (Sozialraumorientierung).
Mit diesen Massnahmen im Bereich Alter hat das Departement des Innern im Jahr 2022 massgeblich zur Erreichung der Schwerpunktziele der Regierung «Chancengerechtigkeit sicherstellen» und «Strukturentwicklung fördern» beigetragen.

Interview mit Ingo Kratisch, Leiter Abteilung Alter, Amt für Soziales
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Herausforderungen im Altersbereich in den kommenden Jahren?
Im Kanton St.Gallen geht man davon aus, dass die Anzahl der über 80-jährigen von knapp 27'000 (2021) auf knapp 60'000 (2050) steigen wird. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei den Hochbetagten feststellen. Hinzu kommt, dass sich die Bedürfnisse älterer Menschen ändern und damit neue Erwartungen einhergehen.
Welches sind diese neuen Bedürfnisse?
Viele älterer Menschen möchten so lange wie möglich im gewohnten Wohn- und Sozialumfeld verbleiben. Sie spüren dort eine hohe Lebensqualität. Der Heimverband CURAVIVA Schweiz entwickelte dazu im Jahr 2020 die Vision Wohnen im Alter, die einem möglichst langen und selbstständigen Leben in den eigenen vier Wänden gerecht werden soll. Zentral wird zukünftig sein, dass das Angebot für Betagte bedarfs- und bedürfnisgerecht gestaltet und genutzt wird. So können Heimeintritte verzögert, bestenfalls verhindert werden, was auch zu Kosteneinsparungen und -verschiebungen führt.
Was sind das für Kostenverschiebungen und führen diese nicht einfach zu einer Verlagerung des Problems, zum Beispiel bei der Spitex?
Das Departement des Innern hat gemeinsam mit der Fachstelle für Statistik und der SVA für diese Frage das Controllingsystem für kantonale Ausgaben zu AHV und IV (COSAI) geschaffen. Dieses wollen wir mit den Gemeinden weiterentwickeln. COSAI bietet die Möglichkeit, Kostenverschiebungen zu analysieren. Es bleibt aber eine grosse Herausforderung, die bestehenden Angebotsstrukturen im Bereich Alter an die neuen Anforderungen der älteren Menschen anzupassen und aufeinander abzustimmen. Die Frage «Heim oder Spitex?» ist dabei nur eine von vielen auch gesellschaftlichen Fragen.
Wie geht der Kanton mit diesen vielen Aspekten um?
Wir haben mit den «Gestaltungsprinzipien Alterspolitik» in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Anspruchsgruppen der Alterspolitik die Rahmenbedingungen für ein gutes Alter(n) im Kanton St.Gallen definiert.
Dieser Bericht wurde im Jahr 2022 vom Kantonsrat beraten. Wie geht es nun weiter?
Aktuell arbeiten wir einen Aktionsplan aus, den wir mit den zentralen Anspruchsgruppen diskutieren und gemeinsam verabschieden werden. Im Januar 2023 starten zudem knapp 40 Gemeinden das neue «Netzwerk Altersverantwortliche». Kanton und Gemeinden möchten mit diesem gemeinsamen Austauschgefäss Veränderungen im Bereich der Alterspolitik gestalten, das Wissensmanagement fördern und Synergien nutzen.
Sehen Sie in der Alterspolitik grosse Unterschiede zwischen Gemeinden und Regionen im Kanton?
Grössere Gemeinden oder Städte haben vereinzelt Fachstellen geschaffen, bei der sich Fachpersonen vollumfänglich der Umsetzung der Alterspolitik widmen können. In kleineren Gemeinden ist dies kaum möglich. Mit dem «Netzwerk Altersverantwortliche» sollen hier Austausch- und Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen werden.
